Narzissmus, Glück und Großzügigkeit – Was wirklich hinter finanziellem Erfolg steckt. Wenn wir an einige der bekanntesten Multimillionäre und Milliardäre denken, erscheinen sie wie aus einer anderen Welt: Elon Musk, Mark Zuckerberg, Donald Trump. Sie alle haben eines gemeinsam – sie polarisieren. Oft gelten sie als narzisstisch, selbstbezogen, visionär oder sogar größenwahnsinnig. Doch steckt hinter dieser provokanten Außenwirkung vielleicht ein Geheimrezept für finanziellen Reichtum? Oder sind es ganz andere Eigenschaften, die wirklich zählen?
Mythos Narzissmus: Fluch oder Erfolgsfaktor?
Zahlreiche psychologische Studien haben sich mit der Frage beschäftigt, ob narzisstische Züge den unternehmerischen Erfolg begünstigen. Eine Metaanalyse von Grijalva et al. (2015) kommt zu einem differenzierten Ergebnis: Ein moderater Narzissmus kann tatsächlich mit Führungskompetenz korrelieren – insbesondere durch Selbstvertrauen, Durchsetzungsfähigkeit und das Streben nach Einfluss. Doch ab einem gewissen Punkt kippt dieser Vorteil: Übermäßiger Narzissmus führt zu schlechter Teamarbeit, riskanten Entscheidungen und langfristigen Reputationsschäden.
Mit anderen Worten: Eine Prise Narzissmus kann hilfreich sein, aber sie ist kein Garant für Reichtum – und vor allem kein nachhaltiger.
Die unterschätzten Erfolgsfaktoren: Disziplin, emotionale Intelligenz, Resilienz
Wirklich erfolgreiche Entrepreneure – insbesondere jene, die langfristig Wohlstand aufbauen und erhalten – zeichnen sich oft durch ganz andere Eigenschaften aus. Studien aus der positiven Psychologie (z. B. Duckworth et al., 2007 zur „Grit“-Theorie) zeigen, dass Ausdauer, Zielstrebigkeit und emotionale Selbstregulation entscheidende Faktoren für langfristigen Erfolg sind. Auch emotionale Intelligenz (Daniel Goleman, 1995) spielt eine Schlüsselrolle – besonders beim Aufbau von Netzwerken, Führung von Teams und beim Umgang mit Krisen.
Ein Beispiel: Warren Buffett ist bekannt für seine Bescheidenheit, Geduld und analytische Klarheit – kaum jemand würde ihn als narzisstisch bezeichnen. Trotzdem (oder gerade deshalb) zählt er zu den erfolgreichsten Investoren aller Zeiten.
Und was ist mit Glück?
Spannend ist, dass in vielen Erfolgsgeschichten ein entscheidender Faktor oft übersehen wird: Zufall. Oder, weniger romantisch formuliert: systemische Ungleichheit und Glück. Der Ökonom Robert H. Frank weist in seinem Buch “Success and Luck: Good Fortune and the Myth of Meritocracy” (2016) darauf hin, dass viele Superreiche ihre Karriere retrospektiv als reine Leistung erzählen – obwohl glückliche Zufälle, der richtige Zeitpunkt, Netzwerke oder einfach die Geburt in einer wohlhabenden Umgebung eine immense Rolle spielten.
Auch Studien im Bereich der „complex systems“ (wie jene von Alessandro Pluchino et al., 2018) zeigen: Wenn man Erfolg rein simuliert, basierend auf Talent und Zufall, zeigt sich, dass Glück statistisch oft der ausschlaggebendere Faktor ist – weil es Türen öffnet, die Talent allein nicht aufstößt.
Das bedeutet nicht, dass Leistung bedeutungslos ist – im Gegenteil. Aber es zeigt, dass Demut, Dankbarkeit und ein realistischer Blick auf externe Faktoren mindestens genauso wichtig sind wie Ehrgeiz.
Erfolgstypen: Giver, Taker und Matcher
Und damit kommen wir zur vielleicht schönsten Erkenntnis aus der Verhaltensforschung: Die Art, wie wir mit anderen Menschen umgehen, beeinflusst unseren Erfolg – und zwar langfristig sehr stark.
Der Organisationspsychologe Adam Grant hat in seinem Bestseller “Give and Take” (2013) und seinem gleichnamigen TED Talk zwischen drei Persönlichkeitstypen unterschieden:
- Takers: Menschen, die mehr nehmen als sie geben.
- Matchers: Menschen, die versuchen, ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen zu halten.
- Givers: Menschen, die mehr geben als sie nehmen – ohne sofortige Gegenleistung zu erwarten.
Und was sagt die Forschung? Auf kurze Sicht schneiden Givers oft schlechter ab. Aber auf lange Sicht sind es genau diese großzügigen, hilfsbereiten Menschen, die am erfolgreichsten sind – sowohl in Bezug auf wirtschaftlichen Erfolg als auch auf Lebenszufriedenheit.
Das liegt daran, dass Givers stärkere Netzwerke aufbauen, Vertrauen schaffen, loyalere Mitarbeitende und Partner um sich scharen – und dadurch ein echtes Fundament für nachhaltigen Erfolg schaffen. Anders gesagt: Es zahlt sich aus, gut zu sein.
Fazit: Glück öffnet Türen – Charakter hält sie offen
Reichtum entsteht selten über Nacht – und fast nie nur durch Ego, Intelligenz oder Selbstinszenierung. Vielmehr braucht es eine Mischung aus Mindset, Ausdauer, Menschlichkeit – und ja, auch Glück.
Wir können den Zufall nicht steuern. Aber wir können unsere Haltung steuern – gegenüber Chancen, Rückschlägen und anderen Menschen.
In einer Welt, die oft ruft: „Fake it till you make it!“, lohnt es sich manchmal, einfach echt zu bleiben. Großzügig. Lernbereit. Hartnäckig. Und menschlich.
Denn am Ende sind es nicht die Lautesten, die die Welt verändern – sondern die, die mit Substanz geben, ohne sofort etwas zu erwarten.
Quellen:
Grant, A. (2013). Give and Take: Why Helping Others Drives Our Success
Grijalva, E. et al. (2015). Narcissism and leadership: A meta-analytic review of linear and nonlinear relationships. Personnel Psychology.
Duckworth, A. et al. (2007). Grit: Perseverance and passion for long-term goals. Journal of Personality and Social Psychology.
Goleman, D. (1995). Emotional Intelligence.
Dweck, C. (2006). Mindset: The New Psychology of Success.
Frank, R. H. (2016). Success and Luck: Good Fortune and the Myth of Meritocracy.
Pluchino, A. et al. (2018). Talent vs. Luck: The role of randomness in success and failure. Advances in Complex Systems.z